Stephan Kramer, Verfassungsschutzpräsident des Freistaates Thüringen zu Gast beim Evangelischen Arbeitskreis im CDU-Kreisverband Kiel
Eine weite und beschwerliche Reise hatte der Präsident des thüringischen Amtes für Verfassungsschutzes zu bewältigen, um vor dem Kieler Evangelischen Arbeitskreis über die Aufgabe des Verfassungsschutzes, aber auch über den Antisemitismus in Deutschland und Europa zu berichten.
Zunächst schilderte Stephan Kramer seinen beruflichen Lebenslauf, der ihn nach dem Studium in die praktische Politikberatung im Deutschen Bundestag und in die Betreuung der in Deutschland lebenden und nach Deutschland kommenden Bürgern jüdischen Glaubens führte. Diese Aufgabe erfüllte Kramer als persönlicher Mitarbeiter von Ignaz Bubis und viele Jahre als Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland und Leiter des Berliner Büros des Europäischen Jüdischen Kongresses. In sein jetziges Amt berief ihn der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen.
Kramer machte zunächst die Unterschiede in den Aufgaben und Strukturen der verschiedenen deutschen Sicherheitsbehörden deutlich, wobei er großen Wert darauf legte, dass Vergleiche mit den Einrichtungen des „Dritten Reiches“ oder der „DDR“ nicht zutreffend sind. Diese Einrichtungen hätten es sich zur Aufgabe gemacht, Bürgerinnen und Bürger zu beschatten und zu drangsalieren. Aufgabe der Verfassungsschutzämter sei es jedoch, politische Handlungen in Deutschland daraufhin zu beobachten, ob es Gruppen von Menschen gäbe, deren Handeln darauf zielt, die freiheitlich-demokratisch Grundordnung unseres Staates zu untergraben. Bei entsprechenden Erkenntnissen in dieser Richtung sei es Pflicht des Verfassungsschutzes, die Politik und die Gerichtsbarkeit zu beraten. Kramer sprach sich für eine enge Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder aus, war aber strikt dagegen, die Ämter zusammenzulegen und zu zentralisieren. Er hielt es für unzweckmäßig und hinderlich, wenn Mitarbeiter eines zentralen Amtes beispielsweise zum Zwecke der Observation in die äußerten Ecken der Republik entsandt würden, ohne über notwendige Kenntnisse von „Land und Leuten“ zu verfügen.
Interessant waren die Ausführungen des Präsidenten zur Zusammenarbeit ganz rechter und ganz linker politischen Gruppierungen mit Einrichtungen aus Russland. Eine Vielzahl von Vorkommnissen, so Kramer, seien nie dem Zufall überlassen, sondern von Moskau wenn nicht sogar geplant, dann doch wenigstens gebilligt. Dies trifft nach Ansicht des Verfassungsschutzpräsidenten auch auf die Hackerangriffe der jüngsten Zeit zu. Die Russen zeigen, dass sie können und wollen.
Auf das zweite große Thema überleitend, bejahte Kramer die Wahrnehmung, dass der Antisemitismus in Deutschland erkennbar zunähme. Mit Sorge beobachtet er, dass die Bereitschaft, Antisemitismus und die Geschichte sowie die Situation Israels fundiert und sachlich anzusprechen kaum vorhanden sei. Dabei müsse gerade in den Schulen informiert, aber vor allem auch erzogen werden. Man werde, so habe ein kluger Mensch zutreffend gesagt, nicht als Antisemit geboren, sondern zum Antisemiten erzogen. Kramer machte aber auch darauf aufmerksam, dass der Antisemitismus in anderen Staaten Europas – zum Beispiel in Frankreich – stärker verbreitet sei. Dass die Flüchtlingswelle aus 2015 aktuell einen signifikanten Beitrag zu diesem Thema leistet, bezweifelte Kramer. Muslimisch begründete antisemitische Vorfälle der letzten Jahre wurden nicht durch die Menschen begangen, die in dieser Zeit in Deutschland Schutz suchten, sondern durch Menschen muslimischen Glaubens, die bereits länger in Deutschland lebten. Es sei aber nicht auszuschließen, dass ein Anwachsen des Antisemitismus durch muslimische Flüchtlinge eintreten könne, denn es sei unbestritten, dass in muslimischen Ländern die Erziehung zum Antisemitismus die Regel sei. Mit Blick auf Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit bezweifelte Kramer jedoch, dass es besonders klug sei, wenn man eine Kippa tragend Stadtviertel aufsuche, die für ihren Antisemitismus bekannt seien. Zum Vergleich führte er an, dass es ihm als Reserveoffizier auch nicht immer gut bekommen sei, wenn er Familienheimfahrten in Uniform durchführte. Am Ende seines Beitrages zu diesem schwierigen Thema wies Kramer darauf hin, dass die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Regel ihr soziales Leben in Deutschland genauso gestalten können, wie alle anderen Mitbürgerinnen und Mitbürger auch.
Text: Heinz Pries
Bilder: Herbert Kulbarsch
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