
Evangelischer Arbeitskreis Kiel dachte in der Passionszeit über das Sterben nach
In der Passionszeit 2015 hat der EAK Kiel ein Thema aufgegriffen, das viele Menschen vor sich her schieben, eine Scheu davor haben, als Tabu betrachten, weil es ihre „schöne, heile Welt“ stört : Sterben – Seelsorge – Ende des Lebens Es betrifft uns alle, als Sterbende, als begleitende, als trauernde Menschen. Sterbende (und Trauernde) fühlen sich alleine, allein-gelassen, sind voller Angst, oft verzweifelt, depressiv, ungetröstet, oft haben sie Schmerzen. Besonders tief drückt sich dies im Schrei von Jesus Christus am Kreuz aus „ Mein Gott, mein Gott! Warum hast Du mich verlassen!“ Mit der evangelischen Pastorin Frau Dr. Schwinge, Trauerbegleiter Lothar Lorenz der katholischen St. Heinrich Kirche in Kiel, Frau Therese Wettwer, Vorsitzende Hospiz-Verein „Gabriel“ aus dem Kreis Plön gelang es dem EAK Kiel Referenten zu gewinnen, die aus ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit besondere praktische Erfahrungen besitzen.
Frau Dr.Monika Schwinge, evangelische Pastorin, ehemalige Pröpstin: Aus biblisch-theologischer Sicht war im Alten wie im Neuen Testament der Tod etwas Fremdes, Unerklärliches, Rätselhaftes, Unbegreifliches, Unabänderliches, der große Stachel. Doch wird auch schon im Alten Testament zum Beispiel bei Hiob nach dessen tiefen Erschütterungen und Zweifeln das Vertrauen auf Erlösung ausgesprochen „ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ !- Im Neuen Testament erscheint dann Jesus als der Erbarmende mit seiner tröstlichen Botschaft, mit seiner liebevollen Hinwendung zu Leidenden und Sterbenden. Er löst die Grenze zwischen Leben und Tod, er erlöst von Schuld durch Vergebung, durch seinen Tod, seine Auferstehung von den Toten, seinen Übergang in den Himmel. – Der zum Himmel schreiende Ruf von Jesus am Kreuz „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ wandelt sich in Worte des Vertrauens „Vater, in Deine Hände gebe ich meinen Geist“ und „Es ist vollbracht“. Dabei ruft Jesus nicht in den leeren Raum hinein, er schreit, wenn auch an Gott verzweifelnd, doch zu Gott hin. Dieses Schreien ist Verzweiflung und Hoffnung gleichermaßen und Ermutigung für alle - in Augenblicken und Zeiten des Leidens mitten im Leben und im Tod. – Offenbar wird : der Weg der göttlichen Liebe, der Liebe ohne Maßen, zum Menschen hin, bis in die tiefsten Tiefen, hat sich vollendet. Und darin scheint das Heil auf: Jesus bricht und überwindet die scheinbar unüberwindliche Grenze zwischen dem Leben auf dieser Erde und dem Jenseits (Himmel). – Sterben und Tod führen Menschen zueinander, gerade auch in ihrer Situation des Verlassen seins, damit sie einander in Obhut nehmen und füreinander da sind. Seelsorge bedeutet deshalb: Räume offen halten, in denen sich Sterbende und Angehörige mit allen, was sie bewegt, unterbringen können, und auch zu ermöglichen, dass sie sich wirklich mit allem bei Gott unterbringen können. Dies ist der geistliche Ansatz für die Seelsorge. Es geht um seelische, glaubensorientierte Betreuung vor und nach dem Tod für die Sterbenden und die Nächsten (wer immer das ist). Herr Lothar Lorenz, Trauerbegleiter der katholischen St. Heinrich Gemeinde, Kiel : „Wie möchten Sie einmal sterben“ – Diese Frage würden die meisten Zeitgenossen mit „ möglichst schnell und im Schlaf“ beantworten.- Der Tod ist in unserer medialen Welt immer gegenwärtig (z.B. im Verkehr, in den TV-Kriminal-Serien), aber eine stark diesseits orientierte Mentalität neigt dazu, das Sterben zu tabuisieren und überlässt das Thema Ärzten, Seelsorgern, Sterbebegleitern - kurz Fachleuten.- Der Tod ist aus unserem Alltag verschwunden.- Dennoch ist es eine Erfahrung, dass angesichts des Todes selbst Kirchenferne wie selbstverständlich die Hilfe der Kirche suchen und um ein kirchliches Begräbnis nachsuchen.- Sterbende begleiten, Tote begraben und Trauernde trösten gehört zu den ureigenen Aufgaben christlicher Gemeinden. Das Sterben des Menschen ist nach christlicher Hoffnung der Übergang in ein neues Leben. Das Ziel des Weges ist, bei Gott, d.h. im Hause des Vaters seine ewige Heimat zu finden.- Seelsorge versucht Betroffenen in der Krise zu begegnen, auf das oft auch traumatische Erleben zu reagieren und für die Menschen da zu sein, ihnen im wahrsten Sinne des Wortes bei Seite zu stehen, sie zu ernst nehmen, sie in ihrer Not wahr zu nehmen und zu begleiten.- Wo Sprachlosigkeit herrscht, vermögen Sprache und Worte des Glaubens und Rituale der Kirche wie Abendmahl/ Kommunion, Gebet und Segnung helfen und trösten.- Was am Trauerbett geschieht, entscheidet auch darüber, wie die erste und weitere Trauerzeit verläuft. Der Verstorbene ist bereits auf dem Weg in die andere Welt und doch noch leiblich hier. Angehörige sind wie betäubt und sehr der Unterstützung bedürftig. Besonders wichtig ist das Gespräch vor der Trauerfeier und Beerdigung mit den Hinterbliebenen. Hier muss der Seelsorger sich Zeit nehmen und die Angehörigen aufsuchen, das Leid zulassen, der Verlassenheit den nötigen Raum einräumen, sie aushalten, heißt das Gebot dieser Stunden – oft schweigend, oft tröstend.- Der Tod hat in der Stunde des Abschieds sein Recht.- Ebenso wichtig ist die folgende Zeit. Auch hier ist der Seelsorger gefordert und herausgefordert.- Die Praxis zeigt, dass die Begegnung mit einem einfühlsamen und menschenfreundlichen Seelsorger Menschen, die bisher keinen Kontakt mit der Kirche (mehr) hatten, oft dazu bringt, mit der Kirche und dem Glauben neu in Beziehung zu treten. Frau Therese Wettwer, Hospizförderverein „Gabriel“e.V. Plön : „Verlasst mich nicht, wenn ich schwach werde“ ist das Motto der Hospiz-Bewegung, die Frau Wettwer vorstellte. Sie ist die Vorsitzende des Hospiz- und Hospizfördervereins „Gabriel“ aus dem Kreis Plön, der zusammen mit dem Hospiz Kieler Förde Förderverein e.V. das Hospiz in Kiel Meimersdorf betreut. - Im Laufe der Jahre verbesserte sich die allgemeine medizinische Versorgung; der Tod wurde nicht mehr als gottgegeben hingenommen. Die Menschen kamen in das Krankenhaus und starben auch dort. Jahrelang waren Tod und Trauer ein Tabuthema.- Gestorben wurde oft allein, in Abstellkammern, Badezimmern, kleinen Einzelzimmern (Sterbezimmern), die lieblos und trist waren. Angehörige mussten hier auch Abschied nehmen. Daraufhin entstand in England Ende der 60er Jahre die moderne Hospiz-Bewegung. In Deutschland engagierten sich dann seit den 80er Jahren vor allen Dingen Frauen in der Hospizarbeit, um Schwerstkranken und Sterbenden in ihrer letzten Lebensphase beizustehen. - 1995 gründete sich in Kiel eine Hospiz-Initiative; 2005 hat dann das Hospiz Kieler Förde seine Tätigkeit im Haus der DRK Anschar-Schwesternschaft am Kronshagener Weg in gemieteten Räumen aufgenommen.- Schließlich konnte im Februar 2012 dank des großartigen und langjährigen Engagements vieler Beteiligter ein 4 Mio. teurer moderner Neubau in Kiel-Moorsee mit 16 Einzelzimmern bezogen werden, an der Grenze zum mitbeteiligten Kreis Plön.- Der Arzt ist zur Heilung kranker Menschen verpflichtet. Ist dies nicht mehr möglich, kommt die Palliativ-Medizin zum Einsatz. Palliativ bedeutet umhüllen, schützen. Die Palliativmedizin stellt die Linderung der Schmerzen in den Vordergrund, integriert psychische und spirituelle Bedürfnisse und bietet ein System der Unterstützung an, damit das Leben der Patienten bis zum Tod so aktiv wie möglich sein kann. Die Hospizhelfer begleiten die Sterbenden, unterstützen die Angehörigen. – Auch kirchenfernen Menschen ist es während des Sterbeprozesses ein Anliegen über Glaube, Religion, Sinn des Lebens zu sprechen. Die Weltanschauung oder religiöse Einstellung des Sterbenden muss dabei respektiert werden. Die Begleitung durch die Hospizbewegung endet nicht mit dem Tod. Sie wird auf Wunsch der Angehörigen in der Zeit der Trauer weitergeführt (Trauerbegleitung).- (Die Finanzierung eines Stationären Hospizes für Erwachsene wird zu 90 % von Pflege- und Krankenkassen übernommen. 10 % der Kosten müssen von Fördervereinen, Stiftungen und Spenden erbracht werden.) Der Abend in der Hermann-Ehlers-Akademie wurde nach tiefgreifender Aussprache mit dem Gebet „Vaterunser“ und mit den Worten von Jesus Christus geschlossen „Euer Herz erschrecke nicht. Glaubt an Gott und glaubt an mich. In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten, und will wieder kommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin“. und der Feststellung von Paulus „Unser endgültiges, dauerndes Bürgerrecht haben wir im Himmel. Dort erwarten wir auch Jesus Christus, unseren Retter. Dann wird unser hinfälliger, sterblicher Leib verwandelt und Seinem auferstandenen, unvergänglichen Leib gleich wird und der Verheißung aus der Bergpredigt „Seelig werden die Traurigen sein, denn Gott wird sie trösten“.
Text: Tilo Steinbrinck Bilder: Katharina Bardenhewer
V.i.S.d.P. Heinz Pries alle Evangelischer Arbeitskreis Kiel
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